Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Kunst Salon Vivarium
Josefine-Winter-Straße 43
1220 Wien
Josefine Winter, * 21. Dez. 1873 in Wien, † 20. Jan. 1943 im Ghetto Theresienstadt, war eine österreichische Komponistin jüdischer Herkunft. Die auch schriftstellerisch und malerisch tätige Josefine erhielt ihre Ausbildung samt Klavierunterricht durch Privatlehrer. Sie durfte als Frau nicht studieren und wurde aufgrund ihrer Begabung Kompositionsschülerin bei Josef Bohuslav Foerster, am Neuen Wiener Konservatorium, einer privaten Musiklehranstalt. Mithilfe ihres Vermögens (sie war die Tochter des Industriellen und Politikers Rudolf Auspitz), unterstützen sie und ihre Familienangehörigen u. a. Kinderheime und Krankenanstalten.
Die NS-Schergen zwangen Josefine Winter im Alter von 69 Jahren – nach der "Arisierung" ihrer Villa in 1180 Wien, Anastasius-Grün-Gasse 54 – in eine Sammelwohnung in 1020 Wien, Springergasse 27. Von dort wurde sie mit dem Transport Nr. 31, dessen insgesamt 1.001 Menschen ein Durchschnittsalter von 72 (!) Jahren aufwiesen, am 14. Juli 1942, vom Aspangbahnhof in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Wenige Monate später verstarb Josefine Winter, lt. Totenbuch Theresienstadt am 20. Jan. 1943, im Ghetto.
Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Viktor Junk, Germanist, Komponist, Aktuar der Wiener Akademie der Wissenschaften und seit den frühen 1930er Jahren illegales NSDAP-Mitglied, auch heute noch eine Straße im 22. Bezirk Wiens benannt. Anstelle von Viktor Junk sollte künftig in Wien Donaustadt an Josefine Winter erinnert werden.
Josefine Winter
vertonte zahlreiche Gedichte ihres Mannes, des Arztes und Lyrikers Josef Winter, u. a. "Verlöbnis" und "Im Buchenwald", Paula von
Preradovic‘ "Patrizier von Ragusa" und Conrad Ferdinand Meyers "Requiem".
Ein Teil der Kompositionen
von Josefine (auch Josephine) Winter, etwa Lieder für Singstimme und Klavier, sind dem Titel nach erhalten.
Viktor Junk,
Germanist, Komponist und ab 1906 Dozent für ältere deutsche Sprache, forschte u. a. zu Tanzwissenschaft und war Aktuar der Wiener Akademie der Wissenschaften.
Bereits ab 1933/34
illegales NSDAP-Mitglied, verfasste Viktor Junk zahlreiche in Sprache und Inhalt NS-konforme, antisemiti-sche und NS-verherrlichende Artikel und Besprechungen, u.a. im Völki-schen Beobachter:
„Lach [Anm.: Prof. Dr. Robert
Lach, emerit. Ordinarius für Musikwissen-schaft an der Universität Wien], mit dessen seinerzeitiger Berufung die jüdisch-tendenziöse Führung der Musiklehre, wie sie
...
... sein Vorgänger Guido Adler auf-reizend genug betrieben hatte, ihr Ende fand, hat sich als
unerschrock-ener nationaler Kämpfer mit Leiden-schaft und Sachkenntnis stets gegen das Undeutsche in der modernen Musik ausgesprochen und dadurch oft genug sich selbst mutig
exponiert.“
Eine weitere seiner opulenten
NS-Huldigungen publizierte er als Victor (sic!) Junk in der Zeitschrift für Musik unter dem Titel „Die Mozart-woche des Deutschen Reiches in Wien“.
Unter der Schirmherrschaft
von J. Goebbels und B. v. Schirach nahm im Dezember 1941 das Who is Who der Karriere-Opportunisten der damaligen klassischen Musikwelt, von Komponisten, Dirigenten und Sängern bis zu Musikern und Musikwissenschaftlern an dieser NS-Mozart-Woche in Wien teil, wie Victor Junk voller Begeisterung und Bewunderung schrieb.
Die Aufschreie,
die zum Schrei geöffneten Kiefer in den tausenden Tuschen auf Papier von Konstanze Sailer, sind in das Bild gesetzte sprachliche Zeichen. Jeder der Kiefer repräsentiert den Tod eines Menschen, ein Ereignis, ungleich jedem anderen.
Jeder Aufschrei ist der
des je eigenen Sterbens. Phonema-tische Orthografie des Grauens. Die malerisch konservierten Schreie tragen keine Namen, sondern individuelle
Uhrzeiten, sie sind Momente der Verwundung.