Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Blue Danube Contemporary Art
Ruth-Maier-Promenade 42
1220 Wien
Ruth Maier (* 10. Nov. 1920 in Wien; † 1. Dez. 1942 im NS-Vernichtungslager Auschwitz) war eine österreichische jüdische Schriftstellerin. In Wien geboren, flüchtet sie im Januar 1939 zu Bekannten der Familie nach Lillestrøm, einer Kleinstadt nahe Oslo. Als Norwegen 1940 von der deutschen Wehrmacht besetzt wurde und Ruth Maiers Visum nach England abgelaufen war, jedoch nicht erneuert wurde, blieb sie in Norwegen, wurde verhaftet und am 26. November 1942 von Oslo in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurde. Ruth Maier wurde primär durch ihre erst 2007 veröffentlichten Tagebücher bekannt, die einen Zeitraum von 1933 bis 1942 umfassen, weshalb sie auch „Anne Frank Norwegens“ genannt wird.
Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Carl Auböck seit 2002 (!) eine Promenade in Wien-Donaustadt benannt. Auböck war Maler, renommierter Designer und Gründungsmitglied der Wiener Werkstätten, seit 1933 NSDAP Mitglied, später auch SA-Mitglied. Aufgrund seiner sehr frühen NS-Zugehörigkeiten war Auböck als sog. „Alter Kämpfer“ eingestuft und von Mai bis November 1945 in Wien inhaftiert. Anstelle von Carl Auböck sollte künftig in Wien-Donaustadt an Ruth Maier erinnert werden.
Eine der zahlreichen
entindividualisierenden Kennzeich-nungen in den Konzentrationslagern war die Kategorie der „blauen Winkel“, mit welchen sogenannte „volksschädliche Emigranten“ stigmatisiert wurden.
Als „Emigranten“
wurden jene Menschen auf zynische Weise bezeichnet, die zwar rechtzeitig aus dem NS-Machtbereich geflohen waren, jedoch durch die militärische Besetzung jenes Landes, in das sie emigriert waren, erneut in die Hände von Gestapo oder SS fielen.
Blaugelbe Winkel
wurden als gelbe und blaue Stoff-dreiecke übereinandergelegt und an der KZ-Häftlingskleidung angebracht, um „jüdische Emigranten“ zu kennzeichnen.
„Die Juden wurden von ihrer bis dahin, wenn auch nicht gleichberechtigten, so doch menschenmöglichen Stellung zu Unmenschen, Schweinen etc. degradiert. [...] Im Radio spielen sie Schlager. Es ist eine drollige, eine grauenhafte Welt.“ (Ruth Maier, Tagebucheintrag vom 27.09.1938)
„Sie zerstören die Tempel. Sie reißen den alten Juden an den Bärten, sie hauen die Frauen. Sie schlagen die Fenster ein. [...] Drinnen in den kleinen Gassen.“ (Ruth Maier, Tagebucheintrag vom 16.10.1938)
„Gestern war der schrecklichste Tag, den ich je erlebt habe. Ich weiß jetzt, was Pogrome sind, weiß, was Menschen tun können, Menschen, die Ebenbilder Gottes […], Juden wie Schlachtvieh im Lastauto … Leute starren.“ (Ruth Maier, Tagebuch- eintrag vom 11.11.1938, dem Tag nach ihrem 18. Geburtstag)
Aufschreie
sind jäh unterbrochene Sprache, wie abschiedsloses Sterben. Die Tuschen von Konstanze Sailer sind Andeutun- gen und Zuordnungen: Kiefer zu Aufschrei, Schriftzeichen zu Todesphonem.
Schreie tragen
keine Namen, sondern individuelle Uhrzeiten. Sie repräsentieren Momente der Verwundung und des Todes. Erst durch den Nachhall der Aufschreie wird die Erinnerung dauerhaft.