Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

"Statt der Frauen" Teil III:

Memorial 01. - 31. März 2019

Anstelle der Wissenschaftlerinnen Elsa Bienenfeld, Martha Geiringer und Eugenie Goldstern, die Opfer der NS-Diktatur wurden, sind nach den Wissen-schaftlern Eberhard Clar, Robert Lach, Michael Haberlandt und Oswald Thomas, die sich mit dem NS-Regime bestens arrangierten, heute noch Straßen in Wien benannt.

 

 

Leonore Rachelle Brecher (* 14. Okt. 1886 in Botoschan (Rumänien); † 18. Sept. 1942 in der NS-Vernichtungsstätte Maly Trostinec), war eine österreichische jüdische Zoologin. Ab 1918 arbeitete sie an deutschen und englischen Forschungseinrichtungen, haupt-sächlich jedoch in der Wiener Biologischen Versuchsanstalt, im damals international renommierten Vivarium im Wiener Prater. Im April 1938 wurde Leonore Brecher entlassen und arbeitete fortan als Lehrerin in einer jüdischen Schule in Wien-Leopoldstadt. Am 14. Sept. 1942 wurde sie deportiert und nur vier Tage später im Vernichtungslager Maly Trostinec ermordet.

 

Aufgrund der Initiative von Memory Gaps, seit November 2015, wurde durch die kommunalpolitische Bemühung der Grünen Meidling, im Mai 2018, ein Verkehrsweg in Leonore-Brecher-Weg neu benannt. Demgegenüber ist nach Eberhard Clar nach wie vor ein Platz in Wien-Hietzing benannt. Clar war Professor für Geologie an den Technischen Hochschulen in Graz und Wien, seit 1933 NSDAP-Mitglied, ab 1938 auch Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes, 1939 leitete er das sog. „Kreisamt für Technik im Kreise Graz‐Land der NSDAP“.

 

 

Serie: "Leonore Rachelle Brecher", 2019, Tusche auf Papier, 48 x 36cm
Serie: "Leonore Rachelle Brecher", 2019, Tusche auf Papier, 48 x 36cm

 

 

Martha Geiringer (* 28. August 1912 in Wien; † (vermutlich) 18. Januar 1943 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau) war Biologin, weitschichtige Verwandte von Gustav Mahler und arbeitete, ebenso wie die österreichische jüdische Zoologin Leonore Brecher, in der Biologischen Versuchsanstalt, dem Vivarium im Wiener Prater. Sämtliche jüdische MitarbeiterInnen wurden im Frühjahr 1938 entlassen, Geiringer flüchtete nach Belgien. Nach einer Auslandsreise kehrte sie – auch aus persönlichen Gründen – im Januar 1941 in das seit Mai 1940 von NS-Deutschland militärisch besetzte Belgien zurück. Sie wurde denunziert, verhaftet, aus dem SS-Sammellager in Mechelen/Malines bei Brüssel in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft am 18. Januar 1943 ermordet.

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Oswald Thomas heute noch ein Platz in Wien-Leopoldstadt benannt. Thomas war Astronom und Begründer des Wiener Planetariums, Mitglied im NSLB, NSAHB sowie der NSV und stellte ab 1938 mehrere Anträge auf NSDAP-Mitgliedschaft, die wegen seiner früheren Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge jedoch abgelehnt wurden.

 

 

Serie: "Martha Geiringer", 2019, Tusche auf Papier, 48 x 36cm
Serie: "Martha Geiringer", 2019, Tusche auf Papier, 48 x 36cm

 

 

Elsa Bienenfeld (* 23. August 1877 in Wien; † 26. Mai 1942 in der NS-Vernichtungs-stätte Maly Trostinec) war eine österreichische jüdische Musikhistorikerin und Musikkritikerin. Sie promovierte 1903 als erste Frau am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien, war Privatschülerin von Alexander von Zemlinsky und Arnold Schönberg und mehr als zwei Jahrzehnte hindurch Kulturkritikerin beim Neuen Wiener Journal und bei der Frankfurter Zeitung. Aufgrund einer Anklage 1938, ein angebliches Devisenvergehen betreffend, wurde sie verhaftet, teilentmündigt und im Mai 1942 in das Vernichtungslager Maly Trostinec deportiert, wo sie am 26. Mai ermordet wurde.

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Robert Lach heute noch eine Gasse in Wien-Floridsdorf benannt. Lach war Musikwissenschaftler an der Universität Wien, seit 1933 NSDAP-Mitglied und trat durch offenen Antisemitismus hervor.

 

 

Serie: "Elsa Bienenfeld", 2019, Tusche auf Papier, 48 x 36cm
Serie: "Elsa Bienenfeld", 2019, Tusche auf Papier, 48 x 36cm

 

Eugenie Goldstern (* in Odessa, vermutlich 01. März 1884; † nach dem 14. Juni 1942 im NS-Vernichtungslager Sobibor) war eine österreichische jüdische Ethnologin, die 1905 mit ihrer Familie vor dem Pogrom in Odessa nach Wien geflohen war. Die zunehmend antisemitische Besetzungspolitik im Wissenschaftsbereich führte dazu, dass der ehemaligen Studentin Michael Haberlandts und Pionierin der Ethnographie eine Anstellung am Volkskundemuseum in Wien verweigert wurde. Goldsterns weltoffene volkskundliche Forschungen standen in diametralem Gegensatz zur damaligen deutschnationalen Volkstums-Ausrichtung des Museums. Eugenie (Jenja/Jenny) Goldstern wurde am 14. Juni 1942 nach Sobibor deportiert und dort vermutlich wenige Tage nach ihrer Ankunft ermordet.

 

Bis zum heutigen Tag existiert keine Straße, die ausschließlich ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Michael Haberlandt nach wie vor eine Gasse in Wien-Donaustadt benannt. Haberlandt war Indologe, Volkskundler, habilitierter Völkerkundler sowie Gründer und Leiter des Volkskundemuseums in Wien. Als Museumsdirektor, als wissenschaftlicher Autor und Herausgeber bereitete er frühzeitig das geistige Klima vor für die Verbreitung von antisemitischem, rassistischem, deutschnationalem und prokolonialistischem Gedankengut.

 

 

Serie: "Eugenie Goldstern", 2019, Tusche auf Papier, 48 x 36cm
Serie: "Eugenie Goldstern", 2019, Tusche auf Papier, 48 x 36cm

 

 

Die Nachfolge Michael Haberlandts in der Leitung des Wiener Volkskundemuseums – sowohl administrativ als auch im Geiste des deutschnationalen, rassistischen und antisemitischen Gedankengutes – trat dessen Sohn, der Volkskundler Arthur Haberlandt an. Bereits ab 1933 waren zahlreiche illegale NSDAP-Mitglieder im Volkskundemuseum beschäftigt. In den Museumsräumlichkeiten wurden NSDAP-Parteimitgliederkarten und schwarze Listen mit Namen politischer Gegner aufbewahrt sowie zahlreiche Veranstaltungen und Schulungen der illegalen NSDAP abgehalten.

 

Das dem 1940 verstorbenen Michael Haberlandt noch während der NS-Zeit gewidmete Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof wurde erst im Jahre 2011 vonseiten der Stadt Wien aberkannt.