Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

"Prix d'excellence"

Ausstellung 01. - 31. März 2017

 

Konstanze Sailer

 

Tusche auf Papier

 

 

 

Galerie Kunst-Fabrik

Ellen-Berta-Marxsohn-Weg 42

55129 Mainz

 

Ellen Berta Marxsohn (* 12. März 1929 in Mainz; † 1942 im NS-Vernichtungslager Auschwitz), Urenkelin des Mainzer Rabbiners Siegmund Salfeld, flüchtete 1939 gemeinsam mit ihren Eltern, nach vergeblichen Versuchen in die USA zu gelangen, nach Frankreich. Im Zuge mehrerer Wohnortswechsel wurde die Familie von den mit den Nationalsozialisten kooperierenden Vichy-Behörden im südfranzösischen Sammellager Les Milles, in einem Vorort von Aix-en-Provence, interniert. Kurz davor hatte die gute Schülerin Hélène (Ellen) noch den Prix d’excellence ihrer Schule in Nîmes erhalten. Wenig später übergab die Vichy-Polizei die gesamte Familie an die Gestapo. Ellen Berta Marxsohn wurde im Alter von 13 Jahren, am 7. September 1942, gemeinsam mit ihren Eltern, vom Durchgangslager Drancy nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort vermutlich bereits kurz nach ihrer Ankunft ermordet.

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Mainz keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Ina Seidel nach wie vor eine Straße in Mainzer Stadtteil Hechtsheim benannt. Die Schriftstellerin Ina Seidel unterzeichnete bereits 1933 das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“, ein Treueversprechen für Adolf Hitler und huldigte diesem in zahlreichen Schriften. 1944 wurde Seidel auf Hitlers Gottbegnadeten-Liste gesetzt. Anstelle von Ina Seidel sollte künftig in Mainz an Ellen Berta Marxsohn erinnert werden.

 

"Aufschrei 20:06 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Aufschrei 20:06 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem Areal

 

und in den Gebäuden einer alten Ziegelfabrik, in dem heute zu Aix-en-Provence gehörenden Ort Les Milles, wurde vonseiten des Vichy-Regimes ein Internierungslager betrieben.

 

 

 

 

 

"Aufschrei 20:42 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Aufschrei 20:42 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwischen 1939 und 1942

 

lebten Tausende Menschen unter katastrophalen Bedingungen im Lager des Milles, das im Laufe der Jahre zu einem Transit- und Deportationslager wurde.

 

 

 
 

"Schrei 20:45 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 20:45 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

   

 

 

 

 

  

 

 

 

 

Unter den Gefangenen

 

in Les Milles befanden sich kurzfristig u. a. auch Intellektuelle und Künstler, wie Lion Feuchtwanger, Golo Mann, Franz Hessel, Max Ernst und Wols.

 

 

 

 

"Schrei 21:39 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 21:39 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Behörden des Vichy-Regimes

 

kooperierten weit mehr als nötig mit den NS-Besatzern und übergaben in vielen Fällen auch Kinder an die Gestapo, oftmals sogar, um die Verpflichtung der späteren Obsorge von Waisenkindern abzustreifen.

 

 

 

 

"Schrei 22:33 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 22:33 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

  

 

  

 

 

 

Ina Seidel schrieb am 20. April

 

1939, zu Hitlers 50. Geburtstag: „Wir Mit-Geborenen der Generation, die im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts aus deutschem Blute gezeugt war, waren längst Eltern der gegenwärtigen Jugend Deutschlands geworden, ehe wir ahnen durften, daß unter uns Tausenden der eine war, über dessen Haupte die kosmischen Ströme deutschen Schicksals sich sammelten ...“

 

 

 

 

 

"Aufschrei 23:18 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Aufschrei 23:18 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

An die 40 Straßen und Wege

 

sind in Deutschland nach wie vor nach Ina Seidel benannt.

 

 

 

 

"Schrei 23:29 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 23:29 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aufschreie

 

sind jäh unterbrochene Sprache, wie abschiedsloses Sterben. Die Tuschen von Konstanze Sailer repräsentieren Andeutungen und Zuordnungen: Kiefer zu Aufschrei, Schriftzeichen zu Todesphonem.

 

 

 

 

"Schrei 00:02 Uhr", 2016, 48 x 36cm
"Schrei 00:02 Uhr", 2016, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schreie tragen keine Namen,

 

sondern individuelle Uhrzeiten. Sie repräsentieren Momente der Verwundung und des Todes. Erst durch den Nachhall der Aufschreie wird die Erinnerung dauerhaft.