Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Galerie Kunst-Fabrik
Ellen-Berta-Marxsohn-Weg 42
55129 Mainz
Ellen Berta Marxsohn (* 12. März 1929 in Mainz; † 1942 im NS-Vernichtungslager Auschwitz), Urenkelin des Mainzer Rabbiners Siegmund Salfeld, flüchtete 1939 gemeinsam mit ihren Eltern, nach vergeblichen Versuchen in die USA zu gelangen, nach Frankreich. Im Zuge mehrerer Wohnortswechsel wurde die Familie von den mit den Nationalsozialisten kooperierenden Vichy-Behörden im südfranzösischen Sammellager Les Milles, in einem Vorort von Aix-en-Provence, interniert. Kurz davor hatte die gute Schülerin Hélène (Ellen) noch den Prix d’excellence ihrer Schule in Nîmes erhalten. Wenig später übergab die Vichy-Polizei die gesamte Familie an die Gestapo. Ellen Berta Marxsohn wurde im Alter von 13 Jahren, am 7. September 1942, gemeinsam mit ihren Eltern, vom Durchgangslager Drancy nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort vermutlich bereits kurz nach ihrer Ankunft ermordet.
Bis zum heutigen Tag existiert in Mainz keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Ina Seidel nach wie vor eine Straße in Mainzer Stadtteil Hechtsheim benannt. Die Schriftstellerin Ina Seidel unterzeichnete bereits 1933 das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“, ein Treueversprechen für Adolf Hitler und huldigte diesem in zahlreichen Schriften. 1944 wurde Seidel auf Hitlers Gottbegnadeten-Liste gesetzt. Anstelle von Ina Seidel sollte künftig in Mainz an Ellen Berta Marxsohn erinnert werden.
Auf dem Areal
und in den Gebäuden einer alten Ziegelfabrik, in dem heute zu Aix-en-Provence gehörenden Ort Les Milles, wurde vonseiten des Vichy-Regimes ein Internierungslager betrieben.
Zwischen 1939 und 1942
lebten Tausende Menschen unter katastrophalen Bedingungen im Lager des Milles, das im Laufe der Jahre zu einem Transit- und Deportationslager wurde.
Unter den Gefangenen
in Les Milles befanden sich kurzfristig u. a. auch Intellektuelle und Künstler, wie Lion Feuchtwanger, Golo Mann, Franz Hessel, Max Ernst und Wols.
Die Behörden des Vichy-Regimes
kooperierten weit mehr als nötig mit den NS-Besatzern und übergaben in vielen Fällen auch Kinder an die Gestapo, oftmals sogar, um die Verpflichtung der späteren Obsorge von Waisenkindern abzustreifen.
Ina Seidel schrieb am 20. April
1939, zu Hitlers 50. Geburtstag: „Wir Mit-Geborenen der Generation, die im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts aus deutschem Blute gezeugt war, waren längst Eltern der gegenwärtigen Jugend Deutschlands geworden, ehe wir ahnen durften, daß unter uns Tausenden der eine war, über dessen Haupte die kosmischen Ströme deutschen Schicksals sich sammelten ...“
An die 40 Straßen und Wege
sind in Deutschland nach wie vor nach Ina Seidel benannt.
Aufschreie
sind jäh unterbrochene Sprache, wie abschiedsloses Sterben. Die Tuschen von Konstanze Sailer repräsentieren Andeutungen und Zuordnungen: Kiefer zu Aufschrei, Schriftzeichen zu Todesphonem.
Schreie tragen keine Namen,
sondern individuelle Uhrzeiten. Sie repräsentieren Momente der Verwundung und des Todes. Erst durch den Nachhall der Aufschreie wird die Erinnerung dauerhaft.