Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Galerie Kunststube
Antonia-Hamedinger-Weg 42
4780 Schärding
Antonia Hamedinger (* 11. Juni 1897 in Tyczyn, Polen; † vermutlich 1942 im Konzentrationslager Ravensbrück) kam 1913 nach Wien, um die Handelsschule zu besuchen. Ihre Familie wurde im Ersten Weltkrieg getötet, Antonia verließ als jüdischer Flüchtling Wien und zog nach Oberösterreich, wo sie nach dem Tod ihres Ehemannes 1933 als Alleinerzieherin mit zwei Kindern als Köchin, Haushälterin und Ziegelei-Arbeiterin lebte. Im oberösterreichischen Ort Weibern wohnhaft, wurde sie 1941 unter dem nicht verifizierten Vorwand der Beihilfe zur Abtreibung in „Schutzhaft“ genommen, und als „Befristeter Vorbeugehäftling“ in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Ihre Registrierung am 11. Sept. 1942 unter der Häftlingsnummer 13931 ist der nach gegenwärtigem Stand der Häftlingsdokumentation letzte Eintrag. Vermutungen legen nahe, dass Antonia Hamedinger 1942 entweder im KZ-Ravensbrück oder im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde.
Bis zum heutigen Tag existiert in Oberösterreich keine Straße, die ihren Namen trägt.
Hingegen sind nach Richard Billinger heute noch in Schärding und mehreren weiteren oberösterreichischen Orten Straßen und sogar eine Volksschule benannt. Billinger war Schriftsteller, der als
homosexueller Künstler zwar selbst die NS-Verfolgung fürchtete, sich jedoch als NS-Mitläufer ab 1933 überaus erfolgreich in München und Berlin als Dichter, Dramatiker und Drehbuchautor
etablierte. Anstelle von Richard Billinger sollte künftig in einer der Gemeinden Oberösterreichs an Antonia Hamedinger erinnert werden.
Vordergründig betrachtet
wurden in den Konzentrationslagern nur sogenannte „Berufsverbrecher“ mit „grünen Winkeln“, den Stoffdrei- ecken auf ihrer Häftlingskleidung gekennzeichnet.
Die „Grünen Winkel“
stellen die widersprüchlichste und inhomogenste Kategorie innerhalb der Gruppen von KZ-Häftlingen dar.
Zusätzlich zu
tatsächlichen Kriminellen konnten unter dem perfiden Vorwand der „Kriminalitätsvorbeugung“ wahllos Menschen deportiert und mit grünen Winkeln stigmatisiert werden.
Einige der sogenannten
„Grünwinkler“, zumeist ehemalige Straftäter, kooperierten mit der SS und den Wachmannschaften und wurden von diesen als „verlängerter Arm“, als brutale und rücksichtslose Lageraufseher eingesetzt bzw. missbraucht.
In der KZ-Häftlingskategorie
„Grüne Winkel“ wurde nicht zwischen verurteilten Mördern und denunzierten Heiratsschwindlern, zwischen Schwerverbrechern und Landstreichern differenziert. Mehrheitlich waren die Träger der grünen Winkel jedoch zweifellos Opfer der NS-Diktatur.
Das Stigma
der grünen Winkel haftete vielen der Überlebenden auch nach dem Krieg wie ein Generalverdacht des Berufsverbrechertums an, vielfach auch jenen, die sich nachweislich im KZ dem Widerstand angeschlossen hatten.
„Stark wie das Böse
ist die Verzeihung, doch stark wie die Verzeihung ist das Böse“, schrieb der französische Philosoph Vladimir Jankélévitch über das Problem des Vergebens.
Die Aufschreie,
die zum Schrei geöffneten Kiefer in den tausenden Tuschen auf Papier von Konstanze Sailer sind in das Bild gesetzte sprachliche Zeichen. Jeder der Kiefer repräsentiert den Tod eines Menschen, ein Ereignis, ungleich jedem anderen.