Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Galerie L‘arc de l‘art
Ernst-Tockus-Bogen 43
81929 München Bogenhausen
Ernst Tockus (* 28. September 1936 in München; † 1943 im Vernichtungslager Auschwitz), war mit seiner Familie, wohnhaft am St.-Pauls-Platz 11/III, bereits 1938 nach Antwerpen geflohen. Ab Mai 1940 wurde Belgien von NS-Deutschland militärisch besetzt, die jüdische Familie wurde verhaftet und in der Kaserne Dossin, dem SS-Sammellager in Mechelen/ Malines bei Brüssel festgesetzt. Von dort wurde Ernst Tockus gemeinsam mit seiner Mutter Grete und Schwester Ruth, am 15. Januar 1943, in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und vermutlich kurz nach seiner Ankunft – im Alter von sechs Jahren – ermordet.
Bis zum heutigen Tag existiert in München keine Straße, die seinen Namen trägt. Hingegen ist nach der Lyrikerin Ina Seidel seit 1984 eine Straße, der Ina-Seidel-Bogen in München Bogenhausen benannt, ebenso wie Straßen und Wege in über drei Dutzend weiteren Städten und Orten Deutschlands. Seidel unterzeichnete 1933 nicht nur das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler, ihre Artikel und Gedichte während der NS-Diktatur zeugen von aufrichtigem „Führerglauben“ und sind voll von Huldigungen an Hitler. Anstelle von Ina Seidel sollte in München Bogenhausen künftig an Ernst Tockus erinnert werden.
Eine der zahlreichen
entindividualisierenden Kennzeichnungen in den Konzentrationslagern war die Kategorie der „blauen Winkel“, mit welchen sogenannte „volksschädliche Emigranten“ stigmatisiert wurden.
Als „Emigranten“
wurden jene Menschen auf zynische Weise bezeichnet, die zwar rechtzeitig aus dem NS-Machtbereich geflohen waren, die jedoch durch die militärische Besetzung jenes Landes, in das sie emigriert waren, erneut in die Hände von Gestapo oder SS fielen.
1938 begrüßte Ina Seidel
den Anschluss Österreichs in einem begeisterten Artikel „Das Ja der deutschen Frau“:
„Wir deutschen Frauen zwischen dem nordischen Meer und den südlichen Schneebergen reichen uns heute die Hände, ...
... und der heilige Funke, der durch diese lebendige Kette läuft, soll mit Flammenschrift am großdeutschen Himmel aufleuchten als unser einiges, begeistertes, dankbares und verantwortungsbewußtes Ja!“
Zu Hitlers Geburtstag 1939
schrieb Seidel das Huldigungsgedicht „Lichtdom“. Darin heißt es:
„In Gold und Scharlach, feierlich mit Schweigen,
ziehn die Standarten vor dem Führer auf.
Wer will das Haupt nicht überwältigt neigen?“
Ina Seidel wurde 1944
von Hitler persönlich auf dessen sogenannte Gottbegnadetenliste gesetzt.
Das unfassbare Leid
der Opfer entzieht sich der Sprache. Die in Bilder gesetzten Aufschreie sind lautlos. Sie repräsentieren schmerzerfüllte Verzweiflungsschreie, sie machen diese erneut präsent, rufen sie zurück in unser kollektives Gedächtnis.
Die „Schreie“ und „Aufschreie“
aus dem Papierwerk der Malerin Konstanze Sailer tragen keine Namen, sondern individuelle Uhrzeiten. Aufschreie sind jäh unterbrochene Sprache, wie abschiedsloses Sterben.