Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

"Rosa Winkel"

Ausstellung 01. - 31. Mai 2015

 

Konstanze Sailer

 

Tusche auf Papier

 

 

 

Galerie Neue Räume

Paul-Schieberle-Gasse 42                     

1230 Wien

 

Paul Schieberle (* 07. Mai 1896 in Wien-Leopoldstadt; † 10. Dezember 1942 im Konzen-trationslager Dachau). Stellvertretend für tausende homosexuelle Männer und Frauen, die in den NS-Vernichtungslagern ermordet wurden und deren Schicksale 70 Jahre nach Kriegs- ende nur äußerst bruchstückhaft aufgearbeitet sind, soll an Paul Schieberle erinnert werden. Wie aus Dokumenten des Archivs der KZ-Gedenkstätte Dachau hervorgeht, war Paul Schieberle als sogenannter "Berufsverbrecher" im Konzentrationslager Dachau inhaftiert.

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die seinen Namen trägt. Hingegen ist nach Josef Manowarda noch heute eine Gasse in 1230 Wien benannt. Manowarda war Opernsänger an der Wiener und Berliner Staatsoper und NSDAP-Mitglied seit 1933. Da er einer der Lieblingssänger der NS-Führung war, nahmen nach dessen Tod 1942 auch Göring und Goebbels an der Trauerfeier teil.

"Aufschrei 03:58 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 03:58 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

Von 1933 bis 1945

 

zerschlugen die Nationalsozialisten systematisch hunderttausende gleich-geschlechtliche und transgender Lebensweisen. Sie verfolgten, internierten und ermordeten Schwule und Lesben. Hören wir noch deren endlose Schreie?

"Schrei 08:16 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 08:16 Uhr", 2015, 48 x 36cm


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Die "Reichszentrale

 

zur Bekämpfung der Homosexualität" verfolgte und verurteilte über 50.000 homosexuelle Männer nach dem verschärften §175 des Strafgesetz-buches. An die 20.000 Männer wurden in Konzentrationslagern interniert. Mehr als die Hälfte von ihnen wurde dort ermordet.

"Schrei 10:27 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 10:27 Uhr", 2015, 48 x 36cm


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

Mit den Winkeln,

 

jenen farbigen, gleichschenkligen Stoffdreiecken auf der Häftlings-kleidung wurden Menschen, zusätzlich zu den Häftlingsnummern, ihrer Grundrechte beraubt, kategorisiert und damit entindividualisiert.

"Hilferuf 16:38 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Hilferuf 16:38 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die farbigen Winkel

 

bestimmten den Platz und das Grauen der Alltagsabläufe in den Konzentrationslagern. Rosa Winkel mussten von Schwulen getragen werden. Lesben wurden zumeist als „Asoziale“ eingestuft und mit schwarzen Winkeln gekennzeichnet. Ihre Zahl ist nicht einmal annähernd ermittelbar, auch deshalb, weil bis etwa Mitte der 1980er Jahre keine wissenschaftliche Erforschung ihrer Verfolgungsgeschichte stattfand.

"Aufschrei 19:27 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 19:27 Uhr", 2015, 48 x 36cm


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

Rosa Winkel

 

kennzeichneten eine, sogar innerhalb des Konzentrationslagers ausge-grenzte Randgruppe, die besonders grausamer Behandlung durch die SS ausgeliefert war und zudem auch vergleichsweise wenig Solidarität der Mithäftlinge erhielt.

"Aufschrei 19:29 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 19:29 Uhr", 2015, 48 x 36cm


 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

Der §175

 

des NS-Strafgesetzbuches wurde in der BRD bis in das Jahr 1969 bei- behalten, ab 1969 entschärft, und erst 1994 in Deutschland vollständig aufgehoben. Die Österreichische Bundesregierung hat erst 2005  Homosexuelle als Opfergruppe der NS-Verfolgung offiziell anerkannt.

"Endloser Schrei 23:47 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Endloser Schrei 23:47 Uhr", 2015, 48 x 36cm


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

"Das Schweigen

 

ist ein Wort, das kein Wort ist, und der Atem ein Gegenstand, der kein Gegenstand ist“, schrieb der französische Schriftsteller und Philosoph Georges Bataille.

"Schrei 03:04 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 03:04 Uhr", 2015, 48 x 36cm


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

Die Aufschreie,

 

die zum Schrei geöffneten Kiefer in den tausenden Tuschen auf Papier von Konstanze Sailer, sind in das Bild gesetzte sprachliche Zeichen. Jeder der Kiefer repräsentiert den Tod eines Menschen, ein Ereignis, ungleich jedem anderen.

"Aufschrei 03:36 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 03:36 Uhr", 2015, 48 x 36cm


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

Das unfassbare Leid

 

der Opfer entzieht sich der Sprache. Malerisch festgehaltene Aufschreie sind lautlos. Sie repräsentieren Schreie, sie machen diese wieder präsent und fügen sie ein in unsere kollektive Verpflichtung zu einer wahrhaftigen Erinnerungskultur.