Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Galerie New Art Space
Judis-Weißblüth-Straße 43
81927 München Bogenhausen
Judis Weißblüth (* 15. September 1939 in München; † 16. oder 17. März 1943 im Vernichtungslager Auschwitz) wohnte seit ihrer Geburt im Kinderheim der Israelitischen Jugendhilfe in Schwabing, Antonienstraße. Gemeinsam mit ihren Erzieherinnen lebte sie infolge der behördlichen Auflösung des Kinderheims ab 1942 im sogenannten Barackenlager, einem Sammellager in der Knorrstraße in München Milbertshofen, danach im Sammellager im Stadtbezirk Berg am Laim, Clemens-August-Straße. Am 13. März 1943 wurde Judis Weißblüth gemeinsam mit den verbliebenen Erzieherinnen nach Auschwitz-Birkenau deportiert und am 16. oder 17. März – im Alter von dreieinhalb Jahren – ermordet.
Bis zum heutigen Tag existiert in München keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Agnes Miegel nach wie vor eine Straße in München Bogenhausen benannt, ebenso wie in Dutzenden weiteren Städten und Orten Deutschlands. Die in Königsberg geborene Schriftstellerin und Balladendichterin Miegel unterzeichnete mit 87 weiteren SchriftstellerInnen 1933 das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ für Adolf Hitler, war Mitglied der NS-Frauenschaft, nahm Einladungen und Ehrungen der Hitlerjugend an und wurde 1940 NSDAP-Mitglied. Anstelle von Agnes Miegel sollte zumindest in München Bogenhausen künftig an Judis Weißblüth erinnert werden.
Bis zu einem gewissen Grad
hatten Menschen in der NS-Diktatur die Wahl: Manche entschieden sich dazu, jüdische Mitbürger zu verstecken und zu retten. Andere entschieden sich dafür, der NS-Diktatur so wenig Unterstützung wie möglich zukommen zu lassen.
Agnes Miegel entschied sich
dafür, 1933 das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Hitler zu unterzeichnen, der NS-Frauenschaft und später, im Jahr 1940, sowohl der NSDAP beizutreten als auch den – von Goebbels persönlich genehmigten – Goethepreis der Stadt Frankfurt anzunehmen.
Wie zahlreiche andere
bedeutende KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen ließ Agnes Miegel sich für kultur-propagandistische Zwecke vonseiten des NS-Regimes instrumentalisieren.
Substanzielle Distanzierungen
von der NS-Diktatur finden sich bei Miegel nach 1945, abgesehen von Formulierungen wie etwa „Unrast und Not dieser Zeit“, keine.
Ernst Grube, ein ehemaliges
Heimkind des Antonienheims, in dem auch Judis Weißblüth lebte, schreibt in seinen Erinnerungen an die Deportationen: „Innerhalb weniger Monate wurden fast alle Kinder abgeholt. Nur wenige sind vorher noch ausgewandert ...“
... In immer kürzeren zeitlichen
Abständen wurden Kinder in Gruppen nachts aus unserem Heim abgeholt und in Bussen abtransportiert. Wir wußten nicht, wohin die Reise geht. Weinend haben wir uns verabschiedet ... Die meisten dieser Transporte gingen nach Theresienstadt und von dort weiter in die Vernichtungslager des Ostens.“
In zahlreichen Städten
Deutschlands wurden bereits Agnes-Miegel-Straßen umbenannt, ebenso wie Schulen, die noch den Namen der Dichterin trugen. Denn Straßennamen ehren nicht nur das Werk eines Menschen, sondern meinen stets das gesamte Leben.
Die Arbeiten
aus dem Papierwerk der Malerin Konstanze Sailer sind Zuordnungen von Aufschreien zu Todesphonemen. Aufschreie sind jäh unterbrochene Sprache, wie abschiedsloses Sterben. Sie repräsentieren Momente der Verwundung und des Todes.