Karl Reisenbichler: Maler, Sgraffito-Künstler, NS-Fachschaftsleiter
Karl Reisenbichler (* 02. März 1885 in Attersee, Oberösterreich; † 21. Dez. 1962 in Großgmain, Salzburg-Umgebung) war ein österreichischer Maler, Sgraffito-Künstler und ab 1933 NSDAP-Mitglied.
Er stammte aus einer in Oberösterreich, Salzburg und auch in Wien tätigen Gastronomen- und Hoteliersfamilie und studierte nach seiner Schulausbildung Malerei an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Zu seinen bekannteren Arbeiten zählen Fresken sowie Fassadengestaltungen in Sgraffito-Technik in Oberösterreich und Salzburg, darunter Bad Aussee, Mondsee, Steyr sowie Salzburg Stadt.
Zu den Motiven zählten historisierende, ländliche, zumeist im Bauern- und Handwerkermilieu angesiedelte volkstümliche bzw. erdverbundene Sujets, wie Saat und Ernte, Hutmacher, Trachten und bäuerliche Bevölkerung in Verbindung mit Landschaftsmalerei; des Weiteren Jagdszenen und Kriegsbilder aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, an dem Reisenbichler als Freiwilliger teilnahm – künstlerisch hervorzuheben wären insbes. die sog. "Totentänze" - sowie zahlreiche weitere Motive von der Kriegsfront in Südtirol.
Zweischneidige "Trouvaille" in der Josefstadt
Auch in der Strozzigasse, im 8. Wiener Gemeindebezirk, findet sich eine bis zum heutigen Tag nicht kontextualisierte Auftragsarbeit Reisenbichlers, "Der Weg des Brotes" bzw. "Werdegang des Brotes", in der die Schritte von Scholle und Ähre bis zu Müller, Bäcker und Konditor dargestellt sind.
An der renovierten Fassade des 1772 erbauten Hauses, Strozzigasse Nr. 40, befindet sich Reisenbichlers Sgraffito aus 1930, samt von zwei Löwen flankierter Bretzel über dem Portal. Seine Sgraffito-Technik an Hausfassaden bestand im Übereinanderlegen mehrerer Farbputzschichten sowie dem teilweisen Abtragen, Bürsten und Auskratzen der aufgebrachten Materialien, wodurch plastische Fassadengestaltungen entstanden.
Diese Auftragsarbeit in der Josefstadt fehlt bis dato in sämtlichen seiner Werkverzeichnisse und auch im Salzburger Straßennamenbericht aus 2021.
Eine dezente, informative Zusatztafel, beispielsweise aus durchsichtigem Plexiglas, um den Gesamteindruck der Gebäudefassade nicht zu beeinträchtigen – vonseiten der Bezirksverwaltung finanziert und mit Zustimmung des Eigentümers an der Hausfassade angebracht –, wäre im Jahre 2023 eine konstruktive kulturpolitische Empfehlung von Memory Gaps.
Reisenbichlers Deutschtum und die NSDAP
Zwischen 1921 (die erste – inoffizielle und somit folgenlose – Salzburger Abstimmung betr. des Anschlusses Salzburgs an Deutschland fand am 29.05.1921 statt; mit dem Ergebnis einer überwältigenden Zustimmung zum Anschluss) und 1938 entstanden zahlreiche Entwürfe von Karl Reisenbichler für "Abstimmungspostkarten" und "Anschlussplakate" sowie Briefmarken zum Thema Anschluss an das Deutsche Reich.
Zu seinen einschlägigen Motiven zählte u.a. ein physischer Salzburger Stier, der den österreichischen Grenzzaun in Richtung Deutschland niederstößt. Auch einige der werblichen Anschluss-Texte stammten, übereinstimmenden Quellen zufolge, von Reisenbichler selbst: "Vom Brudervolk soll Grenz‘ und Pfahl uns fürder nicht mehr trennen, wir wollen ein für allemal zu Deutschland uns bekennen!"
Reisenbichlers Sujet aus 1921 wurde für die Abstimmung 1938 wiederverwendet:
Am 13. März 1933 trat Karl Reisenbichler mit der Mitgliedsnummer 1.527.425 der NSDAP bei. Nach dem Tod seiner Mutter 1935 lebte er bis 1937 vorwiegend in München und nur wenige Wochen nach dem tatsächlichen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, im März 1938, fungierte er bereits im April 1938 in Salzburg als NS-Fachschaftsleiter für bildende Kunst. In dieser Funktion führte er für das NS-Gaukulturamt u.a. eine Erhebung sämtlicher Salzburger Künstlerinnen und Künstler (Maler, Bildhauer, Grafiker usw.) sowie deren Mitgliedschaften in diversen Künstlervereinigungen aber auch NSDAP-Vorfeldorganisationen durch.
Sein neues Atelier verlegte Reisenbichler während der NS-Zeit kurzerhand in das Salzburger Künstlerhaus und wurde zudem 1940 stellvertretender und ab 1942 Landesleiter der Reichskammer für bildende Künste Salzburgs. Staatliche Ankäufe einiger seiner Gemälde durch das Reichsministerium für Wissenschaft und die Salzburger NS-Gauleitung folgten.
Erst nach Kriegsende räumte Karl Reisenbichler sein Atelier im Künstlerhaus. Im Zuge der Entnazifizierungsverfahren versuchte er, seine kulturpolitischen NS-Funktionen als an ihn herangetragene Verpflichtungen zu bagatellisieren. Nach 1945 bis zu seinem Tod 1962 folgten nur noch vergleichsweise wenige Aufträge zu Fresken und Sgraffito-Arbeiten.
1965 beschloss der Salzburger Gemeinderat eine Straße im Stadtteil Aigen – wo bereits 1963 eine Straße nach einem der Lieblingsbildhauer Hitlers, Josef Thorak, benannt worden war – nach Karl Reisenbichler zu benennen. Weder die Josef-Thorak-Straße noch die Karl-Reisenbichler-Straße wurden bis dato – beispielsweise nach Opfern der NS-Diktatur wie Helene Taussig – umbenannt, sondern behielten ihre Namen.