Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

"Aryanization"

Intervention III:   01. - 31. Juli 2019

"Entjudungserlös Helene Taussig"

 

Der Vater von Poldi Wojtek, Hofrat (Dipl.) Ing. Josef Wojtek, trat in Salzburg u. a. im Zusammenhang mit "Arisierungen" und "NS-Enteignungen" in Erscheinung, etwa als zuständiger Beamter für konfiszierte Repräsentationsgebäude in Salzburg. Bereits im Frühjahr 1938 wurde er zum kommissarischen Leiter des Schlosses Leopoldskron – Max Reinhardt war enteignet worden – bestellt. (Salzburger Volksblatt, 6. Mai 1938).

 

Rund um Weihnachten 1942 oder kurz danach zeigte sich der Hofrat von seiner großzügigen Seite und schenkte seiner Tochter Poldi Wojtek, Grafikerin und Gestalterin des Plakates und bis heute offiziellen Logos der Salzburger Festspiele, per Schenkungs-vertrag vom 8. Feb. 1943, eine moderne, großzügige Atelier-Villa in Anif jene der Malerin Helene Taussig.

 

1940 wurde Helene Taussig aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus Anif ausgewiesen, 1941 durch "Arisierung" enteignet. In Wien-Floridsdorf fand sie Zuflucht im Altersheim des Klosters der Karmelitinnen. Von dort wurde sie am 9. April 1942 in das Transit-Ghetto Izbica deportiert und vermutlich vor dem 21. April 1942 ermordet.

 

Aufgrund der Anbahnung der "Arisierung" und der diesbezüglichen Interventionen im Vorfeld, aber spätestens angesichts des sog. "Kaufvertrages" musste es Hofrat Wojtek klar gewesen sein, dass er keinen freiwilligen Verkauf, sondern eine de facto "Enteig-nung" bzw. "Arisierung" unterzeichnete. Denn der Pkt. II. des Kaufvertrages hielt fest: "Entjudungserlös Helene Taussig". Der Kaufpreis erreichte demzufolge auch nicht die Verkäuferin, im Vertrag auch "Helene Sara Taussig" genannt, sondern erging auf ein Sperrkonto der Landes-Hypothekenanstalt Salzburg.

 

Quelle: US National Archives: World War II, Claims and Restitution Reports on Property Administered by the Military Government in Salzburg. ID 5686317, S9 1014 Sa Leopoldine Mühlmann (Wojtek)

US National Archives: Claims & Restitution Reports. ID 5686317, S9 1014 Sa Leopoldine Mühlmann (Wojtek)
US National Archives: Claims & Restitution Reports. ID 5686317, S9 1014 Sa Leopoldine Mühlmann (Wojtek)

 

Poldi Wojtek nahm die Schenkung gerne an, denn das Haus, das ihr Vater am 1. Okt. 1941 "ohne jeglichen Druck auf Fräulein Taussig rechtmäßig erworben" hatte, wie sie den US-amerikanischen Militärbehörden im März 1946 mitteilte, sei schließlich seit Jahren leerstehend gewesen. Die Vorbesitzerin, Fräulein Taussig, sei aus der Gemeinde Anif hinausgeworfen bzw. vertrieben worden und "starb kürzlich in Polen".

 

US National Archives: Claims & Restitution Reports. ID 5686317, S9 1014 Sa Leopoldine Mühlmann (Wojtek)
US National Archives: Claims & Restitution Reports. ID 5686317, S9 1014 Sa Leopoldine Mühlmann (Wojtek)

 

Im Kaufvertrag lautete die Adresse von Helene Taussig bereits Wien 21, Töllergasse 15, Kloster der Karmelitinnen, wo sie nach der Vertreibung aus Anif ein Refugium gefunden hatte. Hofrat Wojtek hingegen gab als Wohnadresse Wien 3, Landstraßergürtel 3 an, die Adresse der sog. Reichshochschule (Name der Universität für Musik und darstellen-de Kunst zwischen 1938-45). Dort hatte seine zweite Tochter, Tonia Wojtek, die Schwester von Poldi und seit 1933 Mitglied in der NS-Reichstheaterkammer, 1938 die Leitung der Abteilung Tanz von Grete Wiesenthal, einer Koryphäe der österreichischen Tanzszene während der Ersten Republik, übernommen.

 

 

 

"Eine wahre Geschichte" – Wojteks Kinderbuch über das Leben Hitlers

 

Bereits 1936 illustrierte Poldi Wojtek (lt. Katalogisat als Poldi bzw. Leopoldine Mühlmann) ein propagandistisches Kinderbuch, das die Lebensgeschichte Adolf Hitlers idealisierte. Das Kinderbuch erschien unter dem Titel "Eine wahre Geschichte. Worte und Bilder von zwei Deutschen aus dem Auslande". Ein Kinderbuch-Bestseller, der trotz des Verbotes in Österreich im Jahr 1937 bereits in der 18. Auflage erschien.

 

Archivbild: Memory Gaps, © 2017
Archivbild: Memory Gaps, © 2017

 

Der Text zu Wojteks Illustrationen stammt von Karl Springenschmid, jenem völkischen NS-Schriftsteller, NSDAP-, SA- und SS-Mitglied sowie Leiter des Salzburger Schul-wesens und des NS-Lehrerbundes, der als einer der Hauptverantwortlichen für die Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz, am 30. April 1938, gilt.