Kunstinitiative

des Gedenkens

von

Konstanze Sailer

"Lila Winkel"

Ausstellung 01. - 31. Dezember 2015

 

Konstanze Sailer

 

Tusche auf Papier

 

 

 

Contemporary Artroom

Alois-Hofer-Weg 40                   

8010 Graz

 

 

Alois Hofer (* 20. Juni 1899 in Wöbling bei Graz; † 24. Oktober 1940 im NS-Gefängnis Brandenburg-Görden) wurde aufgrund seiner religiösen Überzeugung und pazifistischen Haltung ermordet. Alois Hofer war Schumacher und seit 1927 Mitglied der Bibelforscher. Im Juni 1940 wurde er in Graz verhaftet, nach Berlin überstellt, wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tod verurteilt und im Gefängnis Brandenburg-Görden geköpft.

 

Bis zum heutigen Tag existiert in Graz keine Straße, die seinen Namen trägt. Hingegen ist nach Franz Nabl heute noch ein Weg in Graz benannt, ebenso wie in vier weiteren steirischen Gemeinden. Franz Nabl war Schriftsteller, seit den 1920er Jahren völkisch-nationalistisch orientiert und seit 1936 Mitglied im "Bund deutscher Schriftsteller Österreichs". Er war Literaturpreisträger während der NS-Zeit und nahm 1943 das Ehrendoktorat der Universität Graz an. Anstelle von Franz Nabl sollte in Graz Alois Hofers gedacht werden.

"Aufschrei 17:38 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 17:38 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

Alois Hofer hätte

 

„nur" die zynische NS-Erklärung" unterschreiben müssen, um sein Leben zu retten. Er schwor seinem Glauben jedoch nicht ab, wurde zum Tod verurteilt und ermordet.

 

 

 

 

"Schrei 17:39 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 17:39 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jehovas Zeugen

 

griffen nicht zur Waffe, sondern hielten strikt am biblischen Tötungsverbot fest. Gott war ihr Heilsbringer, sie lehnten daher jegliche Heilsideologie des NS-Füherkultes ab. Sie wurden daher unter anderem als „wehrkraft-zersetzend“ beurteilt und verfolgt.

 

 

 

"Aufschrei 15:40 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 15:40 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die verschiedenen

 

Gruppen von Bibelforschern befolgten die staatlichen Gesetze. Sie weigerten sich jedoch, in Rüstungsfabriken zu arbeiten oder NS-Loyalitätsbezeugun- gen abzugeben. Daher wurden sie als Staatsfeinde verfolgt.

 

 

 

"Aufschrei 16:41 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 16:41 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von den Tausenden

 

in Konzentrationslagern und Gefängnissen internierten Bibelforschern wurden über 1500 ermordet, über 250 Todesurteile wurden vom Reichskriegsgericht wegen Kriegsdienstverweigerung ausgesprochen und zumeist durch das Fallbeil vollstreckt.

 

 

 

"Aufschrei 18:57 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 18:57 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit lila Winkeln,

 

jenen farbigen, gleichschenkligen Stoffdreiecken auf der KZ-Häftlings-kleidung wurden die Bibelforscher nicht nur ihrer Grundrechte beraubt, sondern kategorisiert und damit entindividualisiert.

 

 

 

"Aufschrei 18:18 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Aufschrei 18:18 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der französische Philosoph

 

Paul Ricœur schrieb über die verschiedenen kulturellen Wahrnehmungswelten der Menschen: „Es gibt Zeugen, die niemals auf die Zuhörerschaft stoßen, die imstande wäre, sie anzuhören und zu verstehen.

 

 

 

"Schrei 21:13 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 21:13 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schreie und Aufschreie

 

sind jäh unterbrochene Sprache, wie abschiedsloses Sterben. Die Tuschen von Konstanze Sailer sind Andeutun- gen und Zuordnungen: Kiefer zu Aufschrei, Schriftzeichen zu Todesphonem.

 

 

 

 

"Schrei 23:02 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 23:02 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schreie tragen keine

 

Namen, sondern individuelle Uhrzeiten. Sie repräsentieren Momente der Verwundung und des Todes. Erst durch den Nachhall der Aufschreie wird die Erinnerung dauerhaft.

 

 

 

"Schrei 23:40 Uhr", 2015, 48 x 36cm
"Schrei 23:40 Uhr", 2015, 48 x 36cm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jedem einzelnen

 

der tausenden zum Aufschrei geöffneten Kiefer, die aus dem Papierwerk der Malerin Konstanze Sailer ab dem Jahr 2005 entstammen, ist ein individueller Todeszeitpunkt zugeordnet.