Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Galerie Art Concepts
Berta B.-Straße 45
1220 Wien
Berta B. (* 1920 in Wien; † 01. Januar 1945 im Konzentrationslager Buchenwald) wurde am 29. Juni 1939 in das KZ-Ravensbrück deportiert, wo sie bis September 1944 ohne Familiennamen, nur unter der Häftlingsnummer 1636 inhaftiert blieb. Die Haftgründe lauteten: „Roma oder Sinti Zugehörigkeit“ sowie „Asozialität“ mit der zusätzlichen Spezifikation „arbeitsscheu“. Im September wurde sie aus dem KZ-Ravensbrück in das KZ-Buchenwald deportiert und dort am Neujahrstag des Jahres 1945 ermordet.
Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Franz Häußler eine Gasse in 1220 Wien benannt. Häußler war Pädagoge, Psychologe, NSDAP-Mitglied und ab Mai 1938 Blockleiter, der bereits 1934 eine Jugendorganisation im Sinne der NS-Ideologie in Wien gegründet hatte. Anstelle von Franz Häußler sollte in Wien-Donaustadt an Berta B. erinnert werden.
Im Holocaust wurden
in Europa an die 500.000 Roma und Sinti in den NS-Vernichtungslagern ermordet, starben infolge von Zwangsarbeit, planmäßiger Mangel-ernährung und unbehandelten Krankheiten.
Vor 1938 lebten
an die 12.000 Roma und Sinti in Österreich, davon über 9.000 im Burgenland. Nahezu 90% aller österreichischen Roma und Sinti fielen den rassistischen Verfolgungen und Deportationen der NS-Diktatur zum Opfer.
„Porajmos“ („Verschlingen“)
lautet die Romanes-Bezeichnung für den Genozid an den Roma und Sinti während des Nationalsozialismus. Sie wurden als „artfremde Rasse“ angesehen und in der NS-Sprache als asozial, volksschädlich und arbeitsscheu bezeichnet.
Mit schwarzen und braunen
„Winkeln“, jenen farbigen, gleichschenkligen Stoffdreiecken auf der Häftlingskleidung wurden Roma und Sinti – zusätzlich zu den Häftlingsnummern – stigmatisiert. In zahlreichen Fällen können in den heutigen Archiven nicht einmal mehr die Familiennamen der Deportierten rekonstruiert werden.
Im sogenannten „Zigeunerlager“,
einem Teil des KZ-Auschwitz, waren über 22.600 Roma und Sinti interniert. Von diesen wurden über 19.300 ermordet. Die Überlebenden wurden nach dem Krieg jahrzehntelang nicht als Opfer der NS-Verfolgung anerkannt. Sie erhielten daher nur geringe oder vielfach gar keine staatlichen Entschädigungen.
Am 2. August 1944
wurden an einem einzigen Tag im sogenannten „Zigeunerlager“ in Auschwitz insgesamt 2.897 Roma und Sinti, darunter Kinder, Frauen und Männer in den Gaskammern ermordet. Nach 71 Jahren, im April 2015, deklarierte das Europäische Parlament den 2. August zum Europäischen Gedenktag für den Völkermord an Sinti und Roma.
„Unter der Geschichte
das Gedächtnis und das Vergessen. Unter dem Gedächtnis und dem Vergessen, das Leben“, schrieb der französische Philosoph Paul Ricœur.
Das unfassbare Leid der Opfer
entzieht sich der Sprache. Die in Bilder gesetzten Aufschreie sind lautlos. Sie repräsentieren die schmerzerfüllten Verzweiflungs-schreie, machen diese erneut präsent, rufen sie zurück in unser kollektives Gedächtnis.
Die in den Tuschen
von Konstanze Sailer angedeuteten Kiefer sind in das Bild gesetzte sprachliche Zeichen. Sie ordnen zu: Kiefer zu Aufschrei, Schriftzeichen zu Todesphonem. Jeder einzelne Schrei war ein Moment der Verwundung, der Tod eines Menschen, ein Ereignis, ungleich jedem anderen.