Konstanze Sailer
Tusche auf Papier
Galerie Open Space
Adele-Jellinek-Gasse 43
1160 Wien
Adele Jellinek (* 2. März 1890 in Wien-Ottakring; † 3. Aug. 1943 im Ghetto Theresienstadt) war eine österreichische Schriftstellerin und Opfer der NS-Diktatur. Sie verfasste sozialkritische Romane und im proletarischen Milieu angesiedelte Erzählungen. Adele Jellinek wurde im Mai 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 3. August 1943 verstarb. (Zahlreiche Quellen nennen als Todestag fälschlich den 3. September 1943. In der sogenannten Todesfallanzeige des Ghettos Theresienstadt ist jedoch der 3. August 1943 vermerkt.)
Bis zum heutigen Tag existiert in Wien keine Straße, die ihren Namen trägt. Anstelle von Karl Pschorn, Mundartdichter und NSDAP-Mitglied seit 1932 - nach ihm ist eine Gasse in Ottakring benannt - sollte zukünftig an Adele Jellinek erinnert werden.
70 Jahre später
blicken wir erneut auf die Ruinen von Auschwitz, Dachau und Mauthausen. Hören wir noch die endlosen Schreie?
Die Aufschreie
von damals sind wie Tonspuren für immer in unser kollektives Gedächt- nis graviert. Der Nachhall der end- losen Schreie verstummt niemals.
Mit „Winkeln“,
jenen farbigen, gleichschenkligen Stoffdreiecken auf ihrer Häftlings-kleidung wurden Menschen, zusätzlich zu den Häftlingsnummern, ihrer Grundrechte beraubt und ent- individualisiert.
Die „Winkel“
bestimmten den Platz und das unfassbare Grauen der Tages-abläufe von deportierten Menschen. Nicht nur politische Häftlinge, auch nahezu alle ausländischen Häftlinge mussten rote Winkel in den Konzentrationslagern tragen.
Rote Winkel
wurden in der Art einer Sammelkate- gorie vergeben: Jegliche Form des Widerstandes gegen die NS-Diktatur, von Sabotage, Hören von Feind-sendern bis zum Verstecken von sogenannten Volksfeinden, wurde mit roten Winkeln gekennzeichnet.
Der französische Philosoph
Emmanuel Lévinas schrieb, die Gewalt könne es immer nur „auf ein Antlitz absehen“, womit er den Bezug von Gewalt auf ein jeweiliges menschliches Gegenüber meinte.
Die Kiefer
in den Tuschen von Konstanze Sailer sind in das Bild gesetzte sprachliche Zeichen. Sie ordnen zu: Kiefer zu Aufschrei, Schriftzeichen zu Todes-phonem.
Jeder
der zum schmerzerfüllten Aufschrei geöffneten Kiefer ist einem Laut zugeordnet. Jäh unterbrochene Sprache. Jeder Aufschrei ist der des je eigenen Sterbens: Phonematische Orthografie des Grauens.